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Johann Hari - Drogen

Wer sich mit dem Thema Drogen beschäftigt, kommt an dem Buch „Drogen - Die Geschichte eines langen Krieges“ vom Engländer Johann Hari nicht vorbei. Es ist ein Buch, das die eigenen Einstellung zu dem Thema und zu denen, die darin involviert sind als Konsumenten, als Händler und als Bekämpfer und Therapeuten, radikal hinterfragt und ins Wanken bringt. Berechtigt!
Der Autor startet mit der Geschichte der Drogen und mit dem Beginn des Kampfes gegen diese und damit mit ihrer Verurteilung und dem Anfang des Teufelskreis des Elends. Er endet mit neuen Wegen in der Drogenpolitik, welche auf einer Einstellung basiert, die den Teufelskreis durchbricht und zeigt, was Drogensüchtige sind und was sie von Drogenkonsumenten (nicht süchtigen) unterscheidet.
Im Buch hat viel Menschliches aber auch sehr viel Unmenschliches platz, das uns, die wir uns von den Drogen fern halten wollen, sehr zu denken geben sollte. Indem wir uns von diesen fern halten, den Kontakt meiden, schauen wir auch nicht hin, verstehen nicht was passiert, sondern übernehmen Meinungen, die sich verbreiten durch die, die oft aus sehr persönlichen Gründen meinungsbildend unterwegs sind. Entweder weil sie sehr starke davon profitieren, oder weil sie gegen ein Monster kämpfen, das im Laufe ihres Lebens in ihnen selber entstanden ist. Dabei sind auch die, die in diesem Kampf aus Überzeugung Gutes tun oft Opfer einer Meinung, die sie übernehmen statt in ihrem Alltag, der sie eines Besseren belehren könnte, genau hinzuschauen und zu hinterfragen.
Die Erkenntnisse des Autors sind ernüchternd im Bezug auf die Entwicklungsgeschickte, aber auch sehr hilfreich und hoffnungsvoll im Bezug auf einen neuen Umgang mit dem Thema in Zukunft.
Ein paar dieser Erkenntnisse möchte ich kurz zusammenfassen. Der Weg dahin kann bei Interesse in dem sehr spannenden Buch nachgelesen werden.
Wenn jemand das Elend, die Verbrechen und die Morde rund um die Drogen fördern möchte, dann ist der effizienteste Weg dazu Drogen zu bekämpfen.
Wenn wir von Kriminalität rund um das Thema Drogen sprechend, dann sprechen wir nicht von Süchtigen als Täter, sondern es handelt sich dabei zum grössten Teil um Verbrechen rund um den Handel und den Erhalt und die Ausweitung von Macht von Drogenbanden.
Der Konsum von Drogen ist grundsätzlich nicht gesundheitsschädigend (ausser Alkohol und Zigaretten). Die Begleitsubstanzen und die unhygienischen Rahmenbedingungen sind die Ursache für Krankheit und Tod.
Wer Drogen nimmt ist und wird auch nicht zwingend süchtig. 90% der Drogenkonsumenten sind nicht suchtgefährdet und werden auch nicht süchtig. Sie hören nach einer gewissen Zeit von alleine und problemlos wieder damit auf. Nur etwa 10% enden in der Sucht. Das zeigt eindeutig, dass keine dieser Substanzen abhängig macht, sondern es sind die persönlichen, psychischen Umstände die in die Sucht führen.
Die Entkriminalisierung der Drogen mit Drogenprogrammen, psychischer Begleitung und Fixerstuben führt zu einer Resozialisierung der Betroffenen, zur Verbesserung des gesundheitlichen Zustandes und oft auch zur Befreiung aus der Sucht.
Und noch die für mich wichtigste Frage, die de Autor versucht im Buch zu beantworten. Warum wird jemand süchtig? Der Autor konnte feststellen, dass alle Süchtigen etwas gemeinsam haben. Sie sind arm an sozialen Bindungen und haben nie gelernt, eine liebevolle Bindung zu einem anderen Menschen aufzubauen. Alle sozialen Kontakte, wenn diese überhaupt bestehen, sind geprägt von Gewalt, Ablehnung und negativer Abhängigkeit. Die erste, bedingungslose, friedvolle und entspannte Beziehung die sie lernen aufzubauen, wird ihnen von einer Substanz beschert. Sie werden süchtig nach diesem Zustand der Geborgenheit, des Vergessens, der Entspannung. Sie gehen eine Bindung mit der Droge ein. Sobald sie es schaffen eine Beziehung mit dieser Qualität zu einer anderen Person, oder auch zu mehreren Menschen in einer Gemeinschaft aufzubauen, haben sie eine Chance, sich aus dieser Sucht zu befreien. Ein wichtiger Faktor auf diesem Weg ist die Rückgewinnung der Selbstachtung und des Selbstwertes durch die Entkriminalisierung ihrer Person.
Mein Fazit, das auch eine Wiederholung des Fazit des Autors ist, ist. Nähe und reine, liebevolle Beziehungen ist das, was wir Süchtigen bieten sollten jeden Tag und immer noch ein bisschen mehr davon. Bedingungslos, einfach weil es sie als Menschen gibt. Das zu lernen, ist unsere Aufgabe. Der Rest geschieht von selber.

Johann Hari: Drogen - Die Geschichte eines langen Krieges
Erschienen im bei S. Fischer 2015 (2. Auflage) ISBN 978-3-10-002442-8
Die englische Originalausgabe erschien 2015 unter dem Titel „Chasing the Scream. The First an Last Days of the War on Drugs“


Sieglinde Lorz

Mittwoch, den 21. September 2016